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das Ölpapier sah aus, als hätte es schon vor fünf Jahren aus-
gewechselt werden müssen. Aber zumindest war der Raum
trocken.
Tobias, Bresser und ihr Gastgeber setzten sich, während
die Müllersfrau einen Krug Bier und Brot brachte. Tobias
nippte an dem Bier, schüttelte aber den Kopf, als der Müller
auf das Brot deutete. Er war nicht hungrig.
»Also, erzähl ihm alles«, sagte Bresser grob. »Wir haben
nicht viel Zeit. Wir müssen noch zu Temser - und vielleicht
zum Grafen.«
»Wozu die Mühe?« fragte der Müller zornig. »Reicht nicht,
was du hier gesehen hast?«
»Ich habe einen Sack verfaultes Mehl gesehen«, antwor-
tete Tobias - fast schärfer, als er wollte. Die scheinbar
grundlose Feindseligkeit des Müllers verwirrte ihn. »Mehr
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nicht. Ihr wolltet mir erzählen, wie es dazu kam?«
Der Müller blickte ihn fast zornig an. Aber seine Stimme
klang beherrscht, als er sprach. »Das ist rasch erzählt. Die
Hexe hat es verflucht.«
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»Bitte!« sagte Tobias. »Haltet an Euch. Ihr sollt nicht
falsch Zeugnis ablegen.«
»Wie soll ich an mich halten, wo es um meine Existenz
geht? Wir werden verhungern, wenn der Winter kommt.
Wovon soll ein Müller leben, der nichts zu mahlen hat?« Er
machte eine Handbewegung, als Tobias ihn abermals unter-
brechen wollte, und fuhr in etwas ruhigerem Ton fort: »Aber
gut, wie du willst, Pfaffe. Es ist schnell erzählt. Sie kam im
Frühjahr und verlangte von mir, die Mühle nicht mehr zu
benutzen.«
»Wie?« entfuhr es Tobias überrascht.
Ein grimmiges Lächeln huschte über das Gesicht des Mül-
lers. »Ich war genauso erstaunt wie du. Ich sagte ihr, sie wäre
verrückt. Seit wir die Mühle neu gebaut hatten, mahle ich
dreimal so viel Korn wie zuvor. Aber sie sagte, ich dürfte das
nicht. Es läge ein Fluch auf ihr. Sie wäre Teufelswerk. Sie
verlangte von mir, eine neue Mühle zu bauen, eine mit
einem Windrad, wie die Holländer sie benutzen.«
»Aber warum?«
»Das habe ich sie auch gefragt«, antwortete der Müller.
»Aber sie hat nicht geantwortet. Sie hat nur gedroht, ich
würde schon sehen, was ich davon hätte, wenn ich nicht auf
sie hörte.«
»Was Ihr natürlich nicht getan habt.«
»Hättest du es?«
Tobias schwieg einen Moment und schüttelte dann den
Kopf. »Nein«, sagte er ehrlich.
»Siehst du. Ich auch nicht. Seit vier Generationen mahlen
wir das Korn mit der Kraft des Wassers. Windmühlen stehen
am Meer, wo der Wind beständig heranweht. Hier sind sie
zu nichts nutze. Ich habe sie herausgeworfen. Sie fing an zu
toben und stieß wilde Drohungen aus, und schließlich habe
ich sie geschlagen und aus meinem Haus gejagt. Aber nur
wenige Tage später fing das Korn an zu verderben. Zuerst
habe ich mir nicht einmal etwas dabei gedacht - es kommt
immer wieder einmal vor, daß ein Sack Korn verdirbt,
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zumal hier, so nahe am Wasser. Aber diesem ersten Sack
folgte ein zweiter, und ein dritter, und dann kam Bodel -«
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»Bodel?«
»Einer der freien Bauern, für die ich Korn gemahlen habe.
Er kam, um seine Lieferung abzuholen. Ich gab ihm das
Mehl und bekam meinen Anteil, aber schon am Abend des-
selben Tages war er wieder hier. Er schäumte vor Wut.
Schrie mich an, ich hätte ihn betrogen. Fast hätten wir uns
geschlagen, so wütend war er. Und dann zeigte er mir, was
in den Säcken war, die ich ihm mitgegeben habe.« Er ballte
zornig die Fäuste auf der Tischplatte. »Du hast es gerade
gesehen. Das meiste war verdorben. Nicht alles, aber das
allermeiste.«
»Wir haben dann den Grafen gerufen«, fuhr Bresser fort,
als der Müller nicht weitersprach, sondern nur haßerfüllt ins
Leere starrte. »Seine Männer haben die Scheune untersucht.
Sie haben fast alle Säcke geöffnet. Es war überall dasselbe.«
»Die Ernte eines ganzen Jahres!« flüsterte der Müller.
»Dahin. Alles verdorben. Wir müßten verhungern, hätte der
Graf uns nicht Korn beschafft. Wir! Die wir in den letzten
Jahren Korn nach Hamburg gebracht haben, so viel hatten
wir davon!«
»Ich nehme doch an, Ihr habt . . . Katrin gefragt, was es
mit ihren Worten auf sich hatte?« fragte Tobias zögernd. Er
mußte vorsichtig sein. Wenn er zu deutlich spüren ließ, daß
es ihm eigentlich nur darum ging, sie zu enflasten, dann
würde er von den Leuten nichts mehr erfahren.
»Natürlich«, sagte der Müller. »Aber sie hat nur gelacht.
Sie hat mir ins Gesicht gelacht und geschrien, daß sie mich
schließlich gewarnt hätte!«
»Sonst nichts?«
»Reicht das nicht?« fragte Bresser, ehe der Müller antwor-
ten konnte. »Verzeiht, Pater, aber . . . was Ihr gesehen habt,
ist doch Beweis genug, oder?«
Tobias schwieg. Was immer er jetzt sagen konnte, würde
alles nur schlimmer machen. Er nahm sich vor, noch einmal
mit dem Müller zu reden. Aber ohne Bresser. Er stand auf.
»Hebt einen dieser Säcke auf«, sagte er. »Es kann sein, daß
ich ihn noch brauche. Und Ihr werdet Eure Aussage wieder-
holen, wenn es zum Prozeß kommt?«
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»Wenn du es verlangst«, sagte der Müller grimmig.
Er ging zur Tür, öffnete sie und wartete, bis Tobias und
Bresser ihm gefolgt waren.
Aber Tobias zögerte noch, das Haus zu verlassen. Nach-
denklich sah er sich um.
»Ihr lebt allein hier mit Eurer Frau? Ihr habt keine Kin-
der?«
Es war nur ein Lidzucken. Aber er sah deutlich das
Erschrecken in Bressers Augen, als der Müller zu einer Ant-
wort ansetzte, und so kurz es war - er spürte das Stocken
in dessen Worten, als er im letzten Moment etwas anderes
sagte, als er ursprünglich vielleicht vorgehabt hatte. »Wir
hatten einen Sohn«, sagte er. »Aber es hat dem Herrn gefal-
len, ihn zu sich zu rufen. Vor fünf Jahren.«
»Das tut mir leid«, sagte Tobias ehrlich. »Aber Ihr wißt,
einzig unser Herr lenkt unseren Weg.«
»Vielleicht ist es besser so«, antwortete der Müller. »Wozu
einen Sohn haben, wenn nichts da ist, was ich ihm hinterlas-
sen kann?«
»Es wird eine neue Ernte geben«, sagte Tobias.
»Und? Niemand wird sein Korn noch bei mir mahlen las-
sen.«
Tobias wollte antworten, aber er konnte es nicht. Die Ver-
bitterung in den Worten des Mannes war zu groß. Für ihn
schien es keinen Trost mehr zu geben.
Tobias segnete ihn und verabschiedete sich mit einem
stummen Kopfnicken. Ohne ein Wort gingen sie zu den
Pferden zurück und saßen wieder auf. [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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